Urteil des AG Tiergarten zur Gerichtsverwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen mit der mobilen Geschwindigkeitsmessanlage Poli Scan Speed, Softwareversion 1.5.5

Am 05.09.2013 hat das Amtsgericht Tiergarten in einem Urteil den Betroffenen in einem Bußgeldverfahren vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen, da die vorgeworfene Geschwindigkeitsübertretung, gemessen mit der mobilen Geschwindigkeitsmessanlage Poli Scan Speed, Softwareversion 1.5.5, im Nachhinein durch das Gericht nicht mehr auf seine Richtigkeit hin überprüft werden konnte.

Im Kern ging es also um die Frage, einer gerichtlich belastbaren Nachvollziehbarkeit, mit welcher Geschwindigkeit der Betroffene an welchem Ort zu welcher Zeit mit seinem Fahrzeug unterwegs war. Da der Hersteller keinerlei Angaben über das patentgeschützte Messverfahren herausgibt, bleibt als einzig belastbares Kriterium der so genannte Auswertrahmen.

Bei der Auswertung der Messfotos wird digital eine Auswertschablone, der so genannte Auswertrahmen, über das jeweilige Foto gelegt um den Fahrzeugen die gemessene Geschwindigkeit zuordnen zu können. Innerhalb dieses Rahmens dürfen sich außer dem Fahrzeug des Betroffenen keine Teilbereiche anderer Fahrzeuge befinden. Die Unterseite des Rahmens muss unterhalb der Vorderräder sichtbar sein und es muss sich innerhalb des Rahmens entweder das Kennzeichen oder ein Vorderrad des Betroffenen-Fahrzeugs befinden.

Im vorliegenden Fall und  auch für eine Vielzahl anderer Fälle von Relevanz, wurde der Auswertrahmen jedoch entgegen der Gebrauchsanweisung errichtet. Grundsätzlich ist dieser laut Gebrauchsanweisung in einer Höhe von 1 m aufzustellen. Tatsächlich wurde diese Höhe jedoch in den wenigsten Fällen eingehalten da fälschlicherweise von einem Circa-Wert ausgegangen wurde. Aus diesem Grund kann nicht mehr, von der für eine Verurteilung notwendigen Überzeugung (des Gerichts), von der Ordnungsmäßigkeit der Messung ausgegangen werden.

Da andere nachträgliche Richtigkeitskontrollen bei diesem Messgerät entfallen, kann die konkrete Geschwindigkeitsmessung nicht bewiesen werden. Logische Konsequenz, Freispruch!

Leitsatz:

Insbesondere könne die Geschwindigkeitsbildung sowie die Messwerterzeugung nicht konkret überprüft werden, da die Angaben über die konkrete Lage der Messstrecke innerhalb des Erfassungsbereiches sowie der gemessene Geschwindigkeitswert selbst, der zur Bildung der ausgewiesenen Durchschnittsgeschwindigkeit führt nicht reproduzierbar ist, sodass die vorgeworfene Geschwindigkeit aus Bild und Dokumentation der Messung nicht nachvollzogen werden kann.

Dies dürfte insbesondere für sämtliche noch abzuarbeitenden Verfahren, in denen bis zur Änderung der Gebrauchsanweisung zum 01.07.2013 mit der Gerätesoftwareversion 1.5.5 gemessen wurde, relevant sein, da in diesen Fällen die in der Bedienungsanleitung noch vorgeschriebene Rahmenhöhe von 1 m praktisch nie eingehalten wurde.

Wenn aber die Gebrauchsanweisung sich bezüglich der Rahmenhöhe auf eine genaue Angabe festgelegt hat, muss sie, nach Auffassung des Gerichtes, damit es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt, da sie als Junktim zur amtlichen Zulassung des Gerätes besteht, auch eingehalten werden.

Rechtsanwalt Christoph Wuttke

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